Zu Besuch bei Balu und Du
Von vielen unserer Förderprojekte haben wir in den vergangenen beiden Jahren gehört, dass sie ihre Arbeit coronabedingt teilweise einstellen oder einschränken mussten. Bei Balu und Du war das anders. Hier berichtet uns Projektleiterin Claudia Fantz von einem geradezu gegenteiligen Effekt: Noch nie zuvor waren so viele Balu- und Mogli-Gespanne aktiv wie in den beiden Corona-Jahren. Im vergangenen Jahr 2021 sind sogar 80 Patenschaft-Tandems aktiv gewesen.
Kurz zur Auffrischung: Balu und Du ist ein Patenschaftsprojekt. Balus, junge Erwachsene - meist Studierende oder junge Berufstätige - zwischen 17 und 30 Jahren kümmern sich ein Jahr lang um ein Grundschulkind. Die beiden treffen sich einmal in der Woche und gestalten ihre Freizeit zusammen. Das Patenschaftsprogramm gibt es mittlerweile an 144 Orten. Es ist von der Universität Osnabrück entwickelt worden und gehört zu den am besten evaluierten Patenschaftsprogrammen. Das Ergebnis: Balu und und Du wirkt sich deutlich positiv auf die Entwicklung und Lebenssituation der beteiligten Kinder aus.
Was sind die aktuellen Entwicklungen? Gerade im Coronajahr 2021 hat Balu und Du große Aufmerksamkeit erzielt. Viele junge Menschen mit Lust auf Engagement waren Zoom-müde und auf der Suche nach echtem-analogen Kontakt, auch im Engagement. Balu und Du funktioniert aufgrund der Zweierkonstellation und dem Fokus auf Freizeitaktivitäten wunderbar draußen. Und so war dieses Projekt ein tolles Angebot für diejenigen, die sich gern für Kinder engagieren wollten, die von der Pandemie in besonderer Weise betroffen sind. Durch einen Glücksfall konnte ein Verteiler mit Infos über das Projekt bedient werden, der alle bremischen Studierenden erreicht.
2021 haben also 80 Kinder eine*n neue*n große*n Freund*in bekommen. 87% der Balus sind junge Frauen, 13 % junge Männer, darunter in diesem Jahr gleich vier junge Anwälte. Die Kinder leben in den Stadtteilen Gröpelingen, Walle, Vahr, Neustadt und Bremer Viertel, viele sind Kinder von Alleinerziehenden.
Corona hat manche Aktivitäten der Tandems verändert: viele der beteiligten Kinder werden mit der Mediennutzung ziemlich allein gelassen. In diesem Feld haben die Balus einen wertvollen Beitrag leisten können, indem sie Kinder auch in schulischen Angelegenheiten digital unterstützt haben. Das Thema Medienkompetenz hat entsprechend in den Begleitveranstaltungen und Fortbildungen der Freiwilligen-Agentur für die Balus eine große Rolle gespielt.
Auch in der Organisation und den Rahmenbedingungen des Projektes waren die letzten beiden Jahre sehr ergiebig. Zentrale Bausteine des Projekts sind die sorgfältige Auswahl der Balus sowie eine intensive Begleitung der Balus. Die Balus werden mit herausfordernden Familienkonstellationen konfrontiert, begegnen Kindern, die die Beziehung zum Balu - manchmal über Monate - immer wieder auf die Probe stellen. Viele der Kinder tragen ein großes Päckchen mit sich und das bedeutet auch für die Balus, dass sie „gut sortiert“ sein müssen, um Kindern wertvolle Vertrauenspersonen zu werden.
Die Freiwilligen-Agentur hat daher besondere Aufgaben: sie muss die Balus in ihrem Engagement zu stärken und zu stützen und gleichzeitig genügend Einblick in die jeweilige Patenschaft haben, um bei Fehlentwicklungen. eingreifen zu können. Dies gelingt jenseits von ausführlichen Bewerbungsgesprächen, Einstiegsseminaren und begleitender Supervision durch die sogenannten „Tagebücher“: jede*r Balu schreibt von jedem Treffen mit dem Mogli einen Bericht über die wöchentlichen Aktivitäten, Beobachtungen zum Kind und beschreibt und reflektiert so gleichzeitig das eigene Handeln. Die Tagebücher werden von ehrenamtlichen Tagebuchlesern (darunter viele ehemalige Balus) sorgfältig gelesen und „kommentiert“. So werden die Balus in ihrer Arbeit unterstützt und können gleichzeitig jede Woche aufkommende Fragen oder Unsicherheiten mit der/dem Tagebuchleser*in bearbeiten. Dies erfolgte bislang rein digital, seit Corona sind gemeinsame Spaziergänge von Tagebuchleser*innen und Balus hinzugekommen. Mittlerweile gibt es 30 Tagebuchlesende, jede*r kümmert sich um fünf Balus.
Zum Abschluss berichtet Claudia Fantz von einem besonderen Erfolg: Die deutsche Zentrale von Balu und Du wertet die Resultate der einzelnen Standorte aus. Danach ist Bremen der Standort, mit den wenigsten Projektabbrüchen und der höchsten Quote von Tandems, die nach Ende der Begleitung durch die Freiwilligen-Agentur weiter Kontakt halten (50%). Ein wesentlicher Erfolgsfaktor, so die evidenzbasierte Untersuchung, liegt in Aufbau, Charakter und Qualität der Bremer Balu-Einstiegsseminare. Das Bremer Konzept dient nun seit dem letzten Jahr allen 144 Standorten als Vorbild, 400 Projektkoordinator*innen sind durch das Bremer Projekt mittlerweile qualifiziert worden, so dass „unser“ Einstiegsseminar nun quer durch die Republik importiert wurde.